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Turnsport Austria-Rückblick 2020: Das Beste kam zum Schluss!

ÖFT-Rückblick 2020: Das Beste kam zum Schluss!

Wer etwas zum Lachen – oder je nach Gemütslage – zum Weinen haben möchte, sollte sich die Jahresvorschauen der Turnsport Austria-Spartenleiter/innen für 2020 durchlesen: Erstens kam es anders, zweitens als man dachte.

Knapp vor Weihnachten gab es die für Österreich historisch erfolgreichste Turn-EM. Doch der Vereins-Turnsport hatte innerhalb des Sports besonders stark unter Corona zu leiden.

Im Spitzen-Turnsport durfte – mit unterschiedlich langen Unterbrechungen im ersten Lockdown – zumindest mit Einschränkungen und Sicherheits-Auflagen durchtrainiert werden. Dennoch zerrte die Ziellosigkeit wegen der im Frühjahr vollständig und im Herbst zumeist abgesagten Wettkämpfe vor allem im Nachwuchs-Spitzensport an den Nerven und an der Motivation.

International fielen der Pandemie unter anderem die Olympischen Spiele, sieben Turnsport-Welt- und Europameisterschaften sowie zwei Dutzend Weltcup- und Grand-Prix-Meetings zum Opfer.

Die 450 heimischen Turnvereine – die zum überwiegenden Großteil auf die Benützung von Schulturnsälen angewiesen sind – hatten von Mitte März bis Ende Dezember 2020, mit nur wenigen Ausnahmewochen im Kleingruppenbetrieb, vollständige Zwangspause. Denn die Lockerungsphasen im Sommer konnten wegen der Schulferien und gesperrten Turnsäle nicht genutzt werden.

Im „besten“ (…) Fall konnten die Vereine von Anfang Juni bis Mitte Oktober – also größtenteils in der „Off Season“ des Vereinsturnens – ein stark eingeschränktes Präsenz-Angebot umsetzen. In den Sperrperioden versuchten zahlreiche Online-Angebote, die Mitglieder bei Laune und in Bewegung zu halten – wenngleich mit großem Engagement gemacht, blieb dies natürlich dennoch nur eine Notlösung. Der aktuelle Status quo: Hallen-Vereinssport ist wieder und weiterhin verboten. Drücken wir uns also selbst die Daumen, dass wir rasch wieder loslegen und durchstarten können. #comebackstronger!

Die Chronologie des Turnsport Austria-Corona-Jahrs 2020:

Es begann noch normal bzw. sportlich erfolgreich:

  • Mitte Jänner 2020 nahm das „neue“ Bundesleistungszentrum der Rhythmischen Gymnastik (in einer alten Industriehalle) in Wien-Stadlau seinen Vollbetrieb auf. Er sollte zwei Monate dauern…

  • Am 1./2. Februar 2020 brillierten Österreichs Nationalteam-Sportakrobat/inn/en beim stark besetzten King Edwards Cup im englischen Bristol: 1x Gold, 2x Silber, 1x Bronze und 7x Finale.

  • Am 8./9. Februar erfolgte in Moskau der internationale Wettkampfauftakt der Rhythmischen Gymnastinnen so früh im Jahr wie noch nie. Nicol Ruprecht wurde beim Grand-Prix-Meeting – nach einem eher enttäuschend verlaufenden 2019 – wiedererstarkte tolle Siebente.

  • Am 17. Februar freuten sich Österreichs Trampolinspringer über den erstmaligen Einzug in ein Weltcup-Finale: Benny Wizani und Martin Spatt erreichten im Synchron-Bewerb in Baku (Aserbaidschan) den siebenten Rang. Auch im Einzel erreichte der Jugend-Olympia-Dritte Wizani in seinem zweiten Elitejahr den 19. Rang – seine bislang beste Weltcup-Platzierung.

  • Am 24. Februar erschien auf der Turnsport Austria-Website der erste Beitrag zum Thema Corona-Virus. Es ging darum, wie man bei Wettkämpfen und Trainingslagern im Ausland verantwortungsbewusst mit der Situation umgeht. Background-Info: Die Bundes-Sportorganisation („Sport Austria“) hatte damals die Anregung des Turnsport Austria, das Thema für den gesamten Sport aufzugreifen, noch abgelehnt. Denn das sei ein Gesundheits- und kein Sportthema. Wie es weiterging, wissen wir: ein paar Tage später traten die ersten Infektionen in Österreich auf…

  • Mit 1. März 2020 verabschiedete sich das Rope Skipping nach 19 Jahren Mitgliedschaft aus dem Turnsport Austria, der neu gegründete RSVÖ nahm seine Tätigkeit auf. Hintergrund der Trennung war die internationale Entwicklung: der neue einheitliche Rope-Skipping-Weltverband hatte sich Statuten gegeben, die für den Turnsport Austria nicht zu akzeptieren waren.

  • Der 2. März 2020 erlebte nach einer längeren Durststrecke wieder eine österreichische Sportaerobicerin auf dem Medaillenpodium eines international renommierten Meetings: Die damalige Staatsmeisterin Lea Robl schaffte Silber beim Eisenberg-Pokal in Deutschland.

  • Veni, vidi, vici: Ebenfalls am 2. März lachte Österreichs an drei der fünf Positionen neu formierte Gymnastik-Nationalgruppe vom goldenen Medaillen-Podium des 7. Armonia-Cups in Thessaloniki (Griechenland). Dieser erste sollte leider auch der einzige Wettkampf des Turnsport Austria-RG-Ensembles 2020 bleiben.

  • Der Grand Prix der Rhythmischen Gymnastinnen am 7./8. März in Brünn (Tschechien) bescherte Nicol Ruprecht ein weiteres Erfolgserlebnis. Sie erreichte im Mehrkampf den achten Rang, qualifizierte sich für alle vier Gerätefinali und steigerte sich in jenem mit dem Ball auf den fünften Schlussplatz.

Ab Mitte März änderte die Pandemie alles:

  • Am 16. März 2020 trat in Österreich der erste Corona-Lockdown in Kraft. Vorerst sollte er einen knappen Monat lang, bis nach Ostern in Kraft bleiben. Doch schon bald war klar, dass es dabei nicht bleiben würde.

  • Schon am 4. April sagte der Turnsport Austria daher alle seine Wettkämpfe bis Ende Juni ab und schaffte es damit sogar in die österreichweiten Schlagzeilen. Erst später zog die Bundesregierung nach und verordnete eine Lockdown-Verlängerung für den gesamten Sport.

  • Am 8. April erklärten Österreichs 2019er-Sportakrobatik-EM-Bronzemedaillen-Gewinnerinnen Eva Gasser und Franziska Seiner ihren Rücktritt vom Wettkampfsport: die damals schon abgesagte WM 2020 hätte ihr abschließender Karriere-Höhepunkt werden sollen, Für ein weiteres Trainingsjahr unter unsicheren Bedingungen fehlten die Perspektive und Motivation.

  • Am 20. April 2020 ging der vollständige Corona-Lockdown für das oberste Segment im österreichischen Spitzensport zu Ende. Unter massiven Auflagen (und strenger Geheimhaltung als behördlicher Vorschrift) durften die ersten zwölf Turnsport Austria-Top-Athlet/inn/en in den Olympischen Sparten und ihre Trainer/innen nach fünf Wochen Pause wieder in ihre Trainingshallen. In unterschiedlichen Intervallen von wenigen Tagen bis zu zwei Wochen folgten danach die Trainingsfreigaben für immer weitere Spitzensport-Teilgruppen – beginnend bei allen Mitgliedern der Elite-Nationalkader bis hinunter zum Turnsport Austria-Nachwuchskader. Körperkontakt war noch verboten.

  • Mit Anfang Mai wurde der Outdoor-Vereinssport wieder erlaubt – mit 2m-Abstandspflicht. Die wenigen Turnvereine, die die Möglichkeit dazu hatten, trugen die Geräte ins Freie und begannen dort mit dem Training. De facto alle hatten infolge irgendwann Besuch von der Polizei, weil sie angezeigt worden waren. Denn das Turnen sei doch sicher noch verboten. War es aber nicht…

  • Am 13. Mai 2020 wurden Vinzenz Höck als offizieller steirischer Sportler des Jahres und Hannah Suntinger als steirische Trainerin des Jahres ausgezeichnet.

  • Mitte Mai legte die nächste Verordnung des Gesundheitsministeriums fest, dass Helfen und Sichern nun erlaubt ist. Das betraf allerdings nur die Spitzensportler/innen und die draußen turnenden. Denn erst zu Pfingsten, Anfang Juni, wurde der Hallen-Vereinssport wieder freigegeben: mit 2m-Abstandspflicht, Desinfektionspflicht, der „nur 1 Person pro 20m²“-Regel und der Sondererlaubnis zum Helfen und Sichern mit Maske. Den meisten Turnvereinen half dies allerdings wenig. Denn der Großteil der Schulsporthallen blieb für die Vereine bis zum Ende der Sommerferien gesperrt.

  • In weiteren Schritten fiel beim Sport die Quadratmeterregel und wurde der Mindestabstand auf 1m reduziert, durfte in Einzelfällen auch unterschritten werden (so blieb es dann bis zum September, während im Spitzensport erste Wettkämpfe wieder erlaubt wurden: das große PCR-Testen begann…).

  • Am 28. Juni fixierte das Turnsport Austria-Präsidium eine grundlegende Änderung im österreichischen Turnsport-Trainerwesen: ab 1.1.2021 darf man nur noch bei Wettkämpfen betreuen, wenn man im Besitz einer gültigen Turnsport Austria-Trainerlizenz ist. Das wird die Qualität steigern und die Sicherheit erhöhen.

Ab dem Sommer wurde etwas "gelockert" - aber leider nicht lange:

  • Am 15. Juli sorgte Daniel Kopeinik für einen offiziellen Guinness-Weltrekord: dem 25-jährigen Innsbrucker Weltcup-Finalisten gelangen am Pauschenpferd 35 „Russen-Wendeschwünge“ innerhalb einer Minute.

  • Vom 28. Juli bis zum 4. August führte die FIG einen „Online-Parkour-Weltcup“ durch. Während der am stärksten eingeschätzte Stefan Dollinger verletzt passen musste, sorgten die Tiroler Lorenz Wetscher und Lukas Steiner auf den Rängen 31 und 36 für die internationale Premiere Österreichs in dieser neuen Sparte des Weltturnverbandes.

  • Am 26. September 2020 fand der Verbandstag des Turnsport Austria als Präsenzveranstaltung mit einem rigorosen Sicherheitskonzept im Olympiazentrum Linz statt. An der Spitze eines größtenteils unveränderten Leitungsteams wurde Prof. Friedrich Manseder – der St. Pöltner ist seit 2010 im Amt – für weitere vier Jahre als Präsident wiedergewählt. Heide Bruneder wurde bei ihrem Ausscheiden nach 38 (!) Jahren im Präsidium per Standing Ovation als Ehrenmitglied ausgezeichnet.

  • Im Herbst stiegen die COVID-19-Infektionszahlen wieder – und parallel wurde im Sport wieder schrittweise verschärft. Darüber purzelten zuerst reihenweise die geplanten gewesenen Turnsport-Veranstaltungen, ab Oktober waren nur noch Spitzensport-Wettkämpfe erlaubt.

Zweiter Hallensport-Lockdown ab Oktober - mit Ausnahmen für den Spitzensport

  • Nach den Herbstferien im Oktober musste der komplette Hallen-Vereinssport wieder in den vollständigen Lockdown. Das „Betretungsverbot für Indoor-Sportstätten zur Sportausübung“ dauert bis heute an. Nur für den Spitzensport und Nachwuchs-Spitzensport gibt es Ausnahmeregelungen (für die man eine namentliche Freigabe seitens des Sportministeriums benötigt).

  • Am 3. Oktober 2020 gelang Vinzenz Höck in Szombathely (Ungarn) der erste österreichische Kunstturn-Weltcupsieg. Der 24-jährige Grazer lieferte sich das erwartete Ringe-Finalduell gegen den ukrainischen Olympiadritten Igor Radivilov und vermochte sich zu behaupten. Dazu sorgten Jasmin Mader, Alexander Benda und Daniel Kopeinik für fünf weitere Gerätefinal-Platzierungen zwischen den Positionen 4 und 6.

  • Vom 23. bis 26. Oktober bildete das Bundesleistungszentrum in Wien-Stadlau die ungewöhnliche Bühne für die Staatsmeisterschaften der Rhythmischen Gymnastik. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit, mit Corona-Tests aller Aktiven und Trainerinnen und einem auch darüber hinaus massiven Präventionskonzept ging diese erste Turnsport Austria-Meisterschaft des Jahres 2020 sicher und infektionsfrei über die Bühne. Nicol Ruprecht, seit 2013 in Österreich ungeschlagen, setzte ihre Siegesserie fort und gewann ihre Staatsmeistertitel Nr. 42 bis 47.

  • Am 31. Oktober folgte in Wörgl die zweite Turnsport Austria-Staatsmeisterschaft des Jahres, jene der Sportaerobic. Lokalmatadorin Laura Baumgartner setzte sich in einem spannenden Titelkampf sehr knapp gegen Vorjahresmeisterin Lea Robl durch.

  • Wieder ein Wochenende später ereignete sich am 7./8. November in Egg im Bregenzerwald die Kunstturn-Staatsmeisterschaft 2020. Punkto Corona-Sicherheitsauflagen war diese Veranstaltung die am schwierigsten umzusetzende. Doch es gelang mit dem guten Willen aller Beteiligten bestens. Die Begeisterung der Aktiven über das Stattfinden-Können ihres österreichweiten Saisonhöhepunkts belohnte für den immensen organisatorischen Aufwand mit u.a. verpflichtenden Corona-Tests, medizinischem Begleitkonzept, Abstandhalten und Maskenpflicht selbst bei der Siegerehrung. Elite-Titelgewinne sicherten sich Marlies Männersdorfer, Jasmin Mader, Elisa Hämmerle, Alexander Benda, Vinzenz Höck, Ricardo Rudy, die Frauen aus Vorarlberg und die Männer der Steiermark.

  • Am 14. November folgte in Steyr mit den Entscheidungen im Trampolinspringen die vierte und letzte Turnsport Austria-Staatsmeisterschaft des Jahres. Sara Hekele und Niklas Fröschl gewannen sowohl im Einzel, als auch mit ihren Synchronpartnern Eileen Ilunamien und Martin Spatt. Insgesamt konnte im Corona-Jahr 2020 allerdings nur rund ein Viertel des normalen Turnsport Austria-Meisterschafts-Programms umgesetzt werden. In den Kontakt- und Teamsportarten, im Nachwuchs- und Hobby-Bereich war man besonders vom Absage-Pech betroffen. Gar nichts stattfinden konnte in der Sportakrobatik, im Team-Turnen, in der Gruppen-Gymnastik, im Jugend-Kunstturnen und im Turn10-Gerätturnen.

  • Vom 26. bis 29. November ereignete sich in Kiew (Ukraine) mit der Europameisterschaft der Rhythmischen Gymnastinnen der erste internationale Turnsport-Titelkampf des Jahres – allerdings ohne Österreich: Nicol Ruprecht war das persönliche Corona-Risiko im Hinblick auf ihren weiteren Fahrplan Richtung Olympia-Qualifikation zu hoch, die Nationalgruppe verzichtete wegen des zu großen Trainingsrückstands in dieser Kontaktsportart.

Österreichs bis jetzt historisch erfolgreichste Turn-EM

  • Vom 9. bis 20. Dezember bestritten schließlich Kunstturnerinnen und Kunstturner aus 21 Ländern in Mersin (Türkei) die Europameisterschaft 2020. Für Österreich wurde es die erfolgreichste der Geschichte: Vinzenz Höck gewann an den Ringen Österreichs erstes Turn-EM-Silber! Aufgefettet wurde die rotweißrote Bilanz durch vier weitere Elite-Finalteilnahmen. Severin Kranzlmüller am Barren und das Männerteam schafften jeweils Platz 6, Alexander Benda wurde Siebenter am Boden und Elisa Hämmerle Achte am Schwebebalken. Erwähnenswert: Die Turnsport Austria-EM-Teilnahme hatte bis zuletzt gewackelt, denn das österreichische Bundesheer hatte Dienstreisen in Länder mit höchster Reisewarnstufe verboten. Die Heeressportler Höck, Benda, Kranzlmüller und Hämmerle erhielten die Ausnahmegenehmigung erst im letzten Moment – danke herzlich!

Text: Turnsport Austria-Generalsekretär Robert Labner
(30. Dezember 2020)


30/12/20

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